‘Be smarter and more courageous in dealing with China’ | Die Zeit
‘Be smarter and more courageous in dealing with China’
Kevin Rudd is the former prime minister of Australia and President of the Asia Society
Chancellor Merkel recently confessed that “maybe initially we were rather too naive in our approach” to China. “These days we look more closely, and rightly so,” she said. To be fair to Merkel, and to Olaf Scholz, Germany is not alone. We’ve all had to adjust our analysis and strategy towards Beijing because Xi Jinping’s China has changed.
Germany is one of the few countries in the world that China deeply respects. This is not because of Goethe, Bach and Beethoven. It’s because China’s strategic realists, deploying the Leninist analytical frameworks they inherited from the Soviets, respect power and are contemptuous of weakness. Beijing sees in Berlin a robust macro-economic policy, a model for advanced manufacturing and a people which after the devastation of two world wars, rebuilt themselves to become the preeminent power in Europe, the economic and strategic ballast of the EU and a central pillar of NATO. In Beijing’s eyes, what Berlin says and does matters.
China’s grand strategy in Europe is to divide it from the United States. It is parallel to what China seeks to do with American allies and strategic partners in Asia (South East Asia, Korea, Japan, India and Australia in that order).
Beijing’s argument is that China offers a vast and growing market for European goods and services and by decade’s end will replace the US as the world’s largest economy; that US military alliances are relics of the Cold War and no longer relevant to a Chinese order which doesn’t threaten territorial borders in Europe; and that Europeans should turn a blind eye to Chinese human rights practices given Europe’s appalling colonial record of human rights over the last 500 years.
It is, of course, a matter for Germany whether it accepts all this, or not. The Chinese position has been strengthened by the sheer idiocy of the Trump administration, both at home and abroad, and the danger that the Republican Party may well be hijacked again by Trump in 2024.
But our contempt for American domestic political self-indulgence should not blind us to some enduring strategic principles. First, Berlin’s negotiating leverage in Beijing is enhanced, not undermined, by the strength of its security ties with the US, the robustness of NATO and the clarity of the EU’s China strategy — particularly on cyber, space and nuclear proliferation. Second, Germany, given its unique historical circumstances, will be expected to be at the forefront of defending universal human rights norms and the institutions established to give them international legal effect. Third, together with France, the democratic world and other constructive powers, Germany has a responsibility to reform and enhance the effectiveness of the UN multilateral system in an increasingly bipolar world where the institutions of global governance are no longer working.
And finally, within this unapologetically realist and internationalist framework, Germany should maximise its bilateral economic interests with China, as well as its multilateral collaboration with Beijing in pursuit of common global goals, including on climate change.
‘Seid schlauer und mutiger im Umgang mit China’
Kevin Rudd ist der ehemalige Premierminister von Australien und Präsident der Asia Society.
Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte unlängst ein, Deutschland sei anfangs wohl "zu naiv" im Umgang mit China gewesen. In aller Fairness gegenüber Merkel und Olaf Scholz: Das gilt nicht nur für Deutschland. Wir alle mussten unsere Einschätzungen und Strategien gegenüber Peking anpassen.
Deutschland ist eines der wenigen Länder, die China zutiefst respektiert. Nicht wegen Goethe, Bach oder Beethoven. Sondern weil Chinas strategische Realisten mit ihrem von den Sowjets geerbten leninistischen Weltbild Macht respektieren und Schwäche verachten. Peking sieht in Berlin eine robuste makroökonomische Politik, ein Modell für eine fortgeschrittene Industrie und eine Bevölkerung, die ihr Land nach der Verwüstung in zwei Weltkriegen wiederaufgebaut hat, um zur herausragenden Macht in Europa zu werden, zum ökonomischen und strategischen Stabilisator der EU und zu einer zentralen Säule der Nato. In den Augen Pekings ist es von Bedeutung, was Berlin sagt und tut.
Chinas "grand strategy" in Europa besteht darin, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Genau das versucht Peking auch mit amerikanischen Partnern in Asien (Südostasien, Korea, Japan, Indien und Australien, in dieser Reihenfolge).
Pekings Argument geht in etwa so: Wir bieten einen riesigen und wachsenden Markt für europäische Produkte und Dienstleistungen und werden bis Ende des Jahrzehnts die USA als weltgrößte Volkswirtschaft ersetzen; Militärbündnisse mit den USA sind Relikte des Kalten Krieges und nicht mehr relevant in einer chinesischen Weltordnung, die keine territorialen Grenzen in Europa bedroht; im Übrigen möchten die Europäer sich Kritik an Chinas Menschenrechtsverletzungen sparen angesichts der abscheulichen Verbrechen ihrer 500 Jahre dauernden kolonialen Geschichte.
Ob Deutschland das akzeptieren will oder nicht, ist natürlich zuallererst seine Sache. Die chinesische Position ist durch die schiere Idiotie der Trump-Präsidentschaft und die Gefahr gestärkt worden, dass die Republikanische Partei 2024 wieder unter Trumps Kommando gerät.
Aber unsere Verachtung für Amerikas innenpolitische Hemmungslosigkeit sollte nicht den Blick auf einige dauerhafte strategische Prinzipien verstellen. Erstens wird Berlins Verhandlungsmacht in Peking nicht geschwächt, sondern gestärkt durch sein Sicherheitsbündnis mit den USA, die Robustheit der Nato und die Klarheit der China-Strategie der EU – besonders in den Konfliktpunkten des Internets, des Weltraums und der nuklearen Proliferation. Zweitens erwartet man von Deutschland aufgrund seiner besonderen Geschichte, dass es bei der Verteidigung universaler Menschenrechtsnormen und der Institutionen, die sie umsetzen sollen, ganz vorn dabei ist. Drittens trägt Deutschland eine Verantwortung, zusammen mit Frankreich, der demokratischen Welt und anderen konstruktiven Mächten das multilaterale UN-System zu reformieren und zu stärken – besonders in einer zunehmend bipolaren Welt, in der solche Institutionen immer weniger funktionieren.
Innerhalb dieses realistischen wie internationalistischen Rahmens sollte Deutschland durchaus seine bilateralen Wirtschaftsinteressen mit China ebenso maximieren wie seine multilaterale Kooperation mit Peking, um gemeinsame globale Ziele zu erreichen. Allen voran die Bekämpfung der Klimakrise.